Die Wirklichkeit ist oft ganz anders
  Die Wirklichkeit      ist oft ganz anders

Wir denken nicht nur an uns

Hilfsorganisation ADRA Deutschland e. V.

Bis zum Ende - gemeinsam

 

Wer in seinem Leben mit 93 Jahren noch eine Familie hat, kann sich in Deutschland glücklich preisen. Liebevoll hat sich die Familie bis vor etwas mehr als zwei Monaten um ihre Mutter, Schwiegermutter, Großmutter und Urgroßmutter gekümmert. Erst weitere familiäre Belastungen machten den Aufenthalt in unserem Hause nötig. So übernahmen wir die pflegerische Versorgung, damit die Familie sich uneingeschränkt weiterhin der menschlichen Zuwendung widmen konnte.

Wie es oft ist, werden pflegerische Maßnahmen von Fremden leichter angenommen, als von Familienangehörigen. Dadurch war es auch möglich, die Flüssigkeitsaufnahme von rd. 300 ml auf bis zu 1200 ml zu erhöhen. Dies führte dazu, dass unsere Bewohnerin sich auch bei uns sichtlich wohl fühlte. Vorhandene Defizite konnten ausgeglichen werden, auch wenn sie das Bett nicht wieder verlassen konnte. Das Bett wurde über Tag so hoch gestellt, dass sie aus dem Fenster sehen konnte in ihren Ort, der zeitlebens ihr zu Hause war.

Als die Zeichen des nahen Endes deutlicher wurden, informierten wir die Angehörigen. Sie sollten Gelegenheit bekommen, ihre Mutter auf ihrem letzten Weg zu begleiten. Und sie haben diese Gelegenheit genutzt, wie ich es noch nie erlebt habe. Aus allen Himmelsrichtungen, wohin sich die Familie zerstreut hatte, kamen sie. Kein Weg war ihnen zu weit. Sie haben sich sogar einen Teil ihres Jahresurlaubs genommen, um sie begleiten zu können.

Anfangs antwortete sie noch auf Ansprache, später zeigten ihre Augen dass sie verstand. Sie sprach noch, doch waren ihre Worte nicht mehr zu verstehen. Die Angehörigen sprachen sie immer wieder an, gaben ihr löffelweise Flüssigkeit, manchmal nahm sie auch noch Nahrung an. Immer war ihr Gesicht entspannt, ausgeglichen. Manchmal stahl sich ein Lächeln auf ihre Züge. Sie fühlte sich sichtlich wohl im Kreise ihrer Lieben.

In vorbildlicher Weise hatten die Angehörigen dafür gesorgt, dass sie zu keiner Zeit allein war. Etwas mehr als zwei Wochen begleiteten die Angehörigen sie ohne Unterbrechung. Alles, was nötig war, wurde veranlasst. Die Mitarbeiter versorgten sie mit der gebotenen Sorgfalt. Auf Wunsch waren Angehörige dabei behilflich.

Nach ungefähr 17 Tagen schien es, dass es der Mutter wieder besser ging, trotz der Zeichen des nahenden Endes. Aus diesem Grunde wurden die Wachen über Nacht eingestellt. Am Tag war dennoch meist jemand von der Familie anwesend.

Am Freitag zeigten sich wieder deutliche Zeichen des nahenden Todes. Sofort kamen die gerufenen Angehörigen wieder an ihr Lager und begleiteten sie mit ihrer fürsorglichen Nähe. Am späten Samstagabend fand sie schließlich ihre wohlverdiente Ruhe.

Wenn ein Mensch seinen letzten Lebensabschnitt in einem Pflegeheim verbringt und solche Angehörigen ihn begleiten, bleibt kein Gefühl des Abgeschobenseins. So stelle ich mir eine Zusammenarbeit zwischen Pflegeheim und Angehörigen vor.

 

© Johannes Paetzold

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