Die Wirklichkeit ist oft ganz anders
  Die Wirklichkeit      ist oft ganz anders

Wir denken nicht nur an uns

Hilfsorganisation ADRA Deutschland e. V.

Unsere Zeit ist nur geliehen

Heute nehmen wir in aller Stille Abschied von I. R.. Sie wurde im September 1939 im Rheinland geboren. Ihre Kindheit war geprägt von dem dunkelsten Teil der neueren Geschichte Deutschlands, dem 2. Weltkrieg. Hinter ihr liegen 80 Jahre eines bewegten Lebens.

 

Über verschiedene Stationen führte sie ihr Weg nach Baden-Württemberg. Zum Ende des Jahres 2019 machte ein Krankenhaus ihrem selbstbestimmten Leben ein Ende, sie musste die Hilfe fremder Menschen im Pflegeheim in Anspruch nehmen. In der Landeshauptstadt war jedoch kein freier Platz zu finden, so dass sie zum Jahreswechsel nach ins Haus Maranatha kam.

 

Ihre Tochter hat alles Notwendige hierzu arrangiert. Sie bewohnte ein Doppelzimmer im Obergeschoss mit Blick auf den Wald. So manches Mal beobachtete sie hier Rehe, die ganz in der Nähe vorbeizogen. Aus Geselligkeit machte sie sich nicht viel und war deshalb nur zu den Mahlzeiten bei den anderen Bewohnern des Hauses.

 

Ihr eigen war ein ganz besonderer, trockener Humor, den ich selbst auch kannte, bin ich doch in ihrem Geburtsort aufgewachsen. Oft hatte sie ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen. Im Laufe des Jahres wird sie wieder so mobil, dass sie einige Fähigkeiten der Selbstversorgung wieder zurückgewann.

 

Anfang Oktober 2020 äußerte sie sich manchmal gegenüber der Reinigungskraft und erkundigte sich, was so alles gemacht werden muss, wenn man stirbt. Sie erkundigte sich nach verschiedenen Beerdigungsformen. Offensichtlich spürte sie, dass ihre Zeit gekommen war. Am 24.10.2020 trat eine plötzliche Verschlechterung ihres Allgemeinzustandes ein, so dass sie ins Krankenhaus eingewiesen wurde. Vier Tage später, am 28.10.2020 schloss sie im Krankenhaus für immer die Augen.

 

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Im Leben kommt es nicht auf die großen Dinge an. Die kleinen Dinge zu schätzen wissen ist ein Kunststück, das nicht jeder beherrscht. Hierzu die Geschichte einer außergewöhnlichen Auktion.

 

Ein Vater und sein Sohn waren große Kunstliebhaber und sammelten sich immer neue Werke großer Künstler. Der Sohn wurde zum Krieg eingezogen. Lange hörte der Vater nichts von ihm. Eines Tages erreicht ihn die Meldung, der Sohn sei vermisst. Darüber wird er außerordentlich traurig.

 

Eines Tages stand ein junger Mann vor seiner Tür. Dieser berichtete ihm,

er war dabei, als sein Sohn getötet wurde. Vorher hatte der Sohn jedoch noch ein Geschenk für seinen Vater hergestellt, das er ihm hiermit überbringen wolle. In dem Paket befand sich ein Selbstportrait seines Sohnes.

 

Der Vater platzierte dieses Bild über dem Kamin. Dafür entfernte er das Bild eines berühmten Künstlers. Als er starb hinterließ er keine Erben. Sein Besitz wurde versteigert. Er war in der Kunstbranche bekannt für seine auserlesene Kunstsammlung. Und so fanden sich bei der Versteigerung viele Interessierte ein, die einen van Gogh, Rembrandt oder Monet ersteigern wollten. Der Auktionator eröffnete die Auktion mit dem Selbstportrait seines Sohnes. Niemand wollte darauf bieten. In seinem Testament hatte er jedoch verfügt, dass dieses Bild als Erstes versteigert werden sollte. Schließlich meldete sich ein einfach gekleideter Mann und sagte:

 

„Ich habe diesen Jungen gekannt. Ich nehme das Bild. Aber ich habe nicht viel Geld. Ich kann nur 10 Dollar dafür geben.“

 

Der Auktionator fragte in die Runde. „Wer bietet mehr?“ Niemand wollte für dieses Bild mehr bieten. Und so ging dieses Bild an den einfachen Mann.

 

Jetzt wurden die Interessierten aufgeregt, was wird als Nächstes kommen. Doch der Auktionator teilte ihnen mit, die Auktion ist beendet.

 

„Was ist mit all den anderen großen Kunstwerken?“

 

fragten die Besucher.

 

„Der Verstorbene hat verfügt, wer das Bild seines Sohnes ersteigert, erhält alle anderen Bilder dazu!“

 

Genauso verhält es sich mit Gott. Wer den Sohn Gottes annimmt, erhält alles, was er sich nur denken kann dazu, sogar das ewige Leben.

 

Doch wie oft schätzen wir die einfachen Dinge gering?

 

Wie sehr schätzen wir unsere Mitmenschen? Sehen wir nur zu jenen auf, die in der Welt etwas gelten, oder sehen wir auch die kleinen, die unbedeutenden Menschen?

 

Sehen wir nur Reichtum und Macht oder ist uns auch der einfache Mensch wichtig? Mir kam dabei die Geschichte mit dem Bettelstudenten in Erinnerung, in der sich ein König als Bettelstudent verkleidet unters Volk begibt.

 

Ja, auch Gott kam in der Gestalt eines Dieners in die Welt.

 

Nach einem langen, erfüllten Leben kann es geschehen, dass der Tod in unser Leben tritt, still, ohne großes Aufsehen, ohne seinen Schrecken zu verbreiten.

 

Frau R. trat ohne große Leidenszeit aus dem Leben. Die Familie konnte sie nicht auf dem letzen Weg begleiten. Ein kurzer Abschied.

 

 

Auch wenn an mancher Stelle der Eindruck erweckt wurde, dass die Verstorbene „doch so schwierig“ war. Es hat mich gefreut, dass sie sich bei uns offensichtlich wohl fühlte in diesen wenigen Monaten.

 

Im Gedenken an eine kurze Bekanntschaft entlassen wir Frau R. zur letzten Ruhe. Mögen Sie sie in guter Erinnerung behalten.

 

 

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